Island und der Massentourismus

Gerade komme ich von meiner dritten Reise nach Island zurück und das Erlebte zwingt mich geradezu, diesen Beitrag zu schreiben. Der Tourismus auf Island boomt und wo viel Licht ist, ist auch Schatten.

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Das erste Mal war ich 2012 auf Island. Damals hieß es noch: “Was? Nach Island!? Das ist ja mal ausgefallen. Was willst du denn da?” Heute kursieren die eindrucksvollen Fotos von Jökulsarlon, Skaftafell und dem Gullfoss in den sozialen Medien und mindestens jeder zweite will “unbedingt mal da hin” oder war sogar schon.

Klar, kann ich verstehen. Immerhin liebe ich diese Insel selbst sehr und bin jedes Mal wieder beeindruckt von den Gegensätzen, der (noch) unberührten Natur und den weiten, farbigen Landschaften. Und dieser Blog soll ja auch Lust auf Island machen. Im besten Fall liest du meinen Blog, siehst die Bilder und denkst: Wow, was für ein Land, das kommt auf meine Bucket-List!

 

Damit habe ich als Blogger, wie ich zumindest finde, auch eine gewisse Verantwortung.

Denn wie Alles, hat der Tourismus auch Schattenseiten. Ich habe mit einigen Isländern gesprochen und sie waren alle sehr nett, weltoffen und gastfreundlich. Aber sie sahen den Tourismus alle zwiegespalten. Klar, er bringt Einnahmen, man ist stolz aufs eigene Land und wie man in der Welt wahrgenommen wird. Er bringt aber auch Verkehr, steigende Immobilienpreise und eine menge Touristen, die anscheinend nicht wissen, auf was sie sich einlassen und was sich gehört.

Wenn du meinen Blog liest, dann gehörst du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu den Menschen über die ich schreibe. Warum ich es trotzdem tue? Weil es mir auf der Seele brennt. Und weil es verbreitet gehört und ein Bewusstsein geschaffen werden sollte. Also rede darüber, stoße Diskussionen an und hinterfrage.

 

Ich rede über die Menschen auf der Jagd nach dem nächsten Selfie.

Menschen die nach Island reisen, weil es gerade angesagt ist, aber über die Insel nicht mehr wissen, als dass es wohl viele Wasserfälle und irgend so ein Flugzeugwrack an der Küste gibt. Menschen ohne Wertschätzung für die Natur. Ohne das Bewusstsein dafür, dass die Vegetation in Island sehr empfindlich ist. Menschen, die sich keine Gedanken darüber machen, dass die Insel bis vor kurzem von 300.000 Seelen bewohnt war und jetzt jährlich von Millionen von Touristen abgewandert, durchfahren, überflogen oder mit dem Boot umrundet wird.

Kleine Ergänzung:

In Skaftafell habe ich mit einem Ranger gesprochen der mir ein paar Zahlen genannt hat:

Im Februar 2012 besuchten gerade einmal 800 Menschen das Besucherzentrum. Im Februar 2016 waren es 950 pro Tag!

Im März 2014 wurden 12.000 Touristen gezählt, zwei Jahre später, im März 2016 hat sich die Zahl auf 24.000 verdoppelt!

Das eindruckvollste Erlebnis und eigentliche Auslöser für diesen Artikel kommt aus der Schlucht Fjardarglufur:

Es regnete, meine Freundin und ich waren mit Regenhose und Wanderschuhen unterwegs und standen auf einem etwas breiteren Felsvorsprung, der extra offen gelassen und nicht abgesperrt war und von dem man einen wunderbaren Blick in die Schlucht hatte. Von dort beobachteten wir ein Pärchen, das sich in wackeligen Minischritten über einen Felsgrat auf eine vorgelagerte Plattform schob. Das Mädel war so unsicher, dass sie sich von ihrem Feund an der Hand nehmen ließ. Sie hatte schneeweiße Sneaker mit glatter Sohle an. Als er sie nach vorne geführte hatte, balancierte er zurück, sie schmiss sich in Pose und er drückte ab. Dann wackelte er wieder zurück um seine Freundin am Arm zurück zu führen, weil sie sich alleine nicht mehr über den schmalen Grat zurück traute. Wir schauten nur verständnislos zu. Es regnete und windete, der Grat war rutschig und verdammt schmal. Und es war deutlich abgesperrt. Die beiden mussten zuerst über ein Seil steigen. Ihr Selfie- und Selbstdarstellungswahn war so groß, dass sie sich in Lebensgefahr begaben. Oder es war ihnen gar nicht bewusst, wie gefährlich diese Aktion war.

 

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Du mein selfiejagender, hotpantstragender Tourist:

Du bist Gast, also verhalte dich auch so.

 

Nochmal, ich sage nicht: Bleib weg! Ich sage: Halte dich an Regeln und denk nach. Regeln die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Und es sind garnicht viele davon:

  1. Wenn irgendwo ein Schild steht mit dem Hinweis, du sollst die Wege nicht verlassen um die Pflanzen zu schützen, dann bleib auf den Wegen. Es wird dir sogar ein Grund aufgezeigt und du wirst nicht behandelt wie ein unmündiges Kind, dem man einfach sagt: Lass das! Also akzeptiere diese Grenzen. Dein Selfie, das später auf deinem Smartphone ein klägliches Dasein zwischen dem Selfie vorm Spiegel und dem Bild vom Essen fristet, wird nicht besser, nur weil du nochmal näher an der Klippe stehst.
  2. Informiere dich vorher über das Wetter und nimm zumindest eine Regenjacke und festes Schuhwerk mit. Die Rettungstrupps sind nicht sonderlich erpicht darauf, dich vom Berg, von der Klippe oder einer Spalte zu retten. (Ich habe tatsächlich auf dem Flughafen eine Dame in Hotpants und FlipFlops gesehen, die jämmerlich zitterte und sich mit einem Handtuch aus ihrem Koffer zudeckte)
  3. Gehe mit offenen Augen durchs Land und sehe die Natur durch deine Augen, und nicht durch dein 4″-Display. Natürlich, du willst Erinnerungsfotos. Logo! Mach welche! Aber leg irgendwann deine Kamera/dein Smartphone zur Seite, setz dich hin und sei still. Höre zu. Höre den Wind der dir um die Ohren pfeift, die Wellen die gegen die Felsen branden. Höre die Papageitaucher und Möwen schnattern. Sieht dir an, warum du eigentlich nach Island gekommen bist: Die Natur

 

Wenn du diese 3 Regeln befolgst, dir Zeit nimmst für das Erlebte und ein Bewusstsein schaffst für diese unbeschreiblich schöne und einzigartige Natur, dann wird deine Islandreise mehr hinterlassen, als noch ein Selfie auf deinem Smartphone.

 

Ich bin mir bewusst, dass dieser Artikel polarisieren wird, aber das ist gut so! Jede Herangehensweise an dieses Thema ist gut und schafft ein Bewusstsein. Diskutiere auch gerne mit mir! Hinterlasse einen Kommentar oder schreib mir eine Mail. Ich bin gespannt auf deine Meinung!

P.S.: Mittlerweile habe ich viel Feedback bekommen und viele sehen es genauso. Es ist schön, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine bin. Das gibt mir Hoffnung.

Eine, die es noch viel deutlicher abbekommt und es wissen muss ist Kerstin. Sie lebt gerade in Reykjavik und hat unabhängig von mir über das selbe Thema geschrieben. Ihren Artikel findest du hier.

 

 

 

In diesem Sinne: Go play outside! – Fabian