Paternkofel – Klettersteig im Bann der Drei Zinnen

Der Wecker klingelt um 6:50 Uhr. Im Urlaub. Die Beine sind noch so schwer von den Touren der vergangenen Tage, dass es sich anfühlt als lägen sie direkt auf dem Lattenrost. Wir sind die ersten beim Frühstück in unserer kleinen aber feinen Pension in La Villa Stern, im Herzen der Dolomiten.

Unsere Gastgeberin schaut recht verdutzt und stellt hektisch die letzten Dinge auf den Frühstückstisch. Ich bin nicht gerade ein Morgenmensch. Ich bin auch kein wirklicher Morgenmuffel, gut gelaunt bin ich schon. Nur nicht sonderlich fit morgens. Mein Motor braucht, bis er auf Touren kommt. Und trotzdem stehe ich hier, mit Haaren die heute Nacht eine Party ohne mich gefeiert haben, in aller Herrgottsfrühe im Frühstücksraum und versuche die Energiespeicher mit Obst, Müsli und Südtiroler Speck (Nacheinander, nicht alles zusammen) wieder aufzufüllen und mich fit für den Tag zu machen. Warum? – Das habe ich mich vor gut 20 Minuten auch gefragt, als der Wecker erbarmungslos klingelte und mich aus meinen Träumen riss.

Aber eigentlich ist es ganz einfach: Die Dolomiten sind eine der schönsten Bergregionen der Welt. Die schroffen Felsstöcke, die den saftig grünen Wiesen entspringen und zu allerlei Aktivitäten einladen. Schon die ganze Woche, sieht man mal vom Sonntag ab, ist traumhaftes Wetter und da bleibt man eben nicht ewig liegen. Zu viel Gipfel wollen bestiegen, zu viele Panoramen genossen und zu viele Klettersteige und Bergstollen begangen werden.

Und heute steht eine ganz besondere Tour auf dem Programm: Der Paternkofel

Gleich neben den Drei Zinnen reckt sich dieser zackige Berg in die Höhe. Er ist durchzogen mit Stollen aus dem ersten Weltkrieg und von seinem Gipfel hat man einen atemberaubenden Blick hinüber zu den Nordwänden der Drei wohl berühmtesten Felsen der Dolomiten.

Wir fahren also von La Villa Stern über den Valparolapass nach Cortina d’Ampezzo und dann weiter über den Misurinasee zum Rifugio Auronzo. Es sind Ferien, auch in Italien. Und so ist die Straße ab dem Misurinasee ziemlich voll. Oben am Rifugio haben sie extra Parkplatzwärter, die uns in den schon ziemlich vollen Schotterplatz einweisen. Die ersten Kilometer der Tour komme ich mir vor wie in der Fußgängerzone. Wir müssen dauernd Menschen überholen, der breite Wanderweg ist voll von Ausflüglern, die von der Auronzohütte bis zum Paternsattel laufen, in der Dreizinnenhütte einen Kaffee schlürfen und wieder zurück schlendern. Nicht gerade ein grandioser Auftakt für die Tour.
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Aber wie immer gilt: Menschen sind Rudeltiere. Entfernt man sich auch nur ein paar Schritte von der Hauptroute und damit von der Herde, wird es gleich deutlich ruhiger. Wir nehmen also vom Paternsattel aus einen kleinen Weg hinauf zum Einstieg in den Passportensteig, der von Süden her auf den Gipfel des Paternkofel führt. Und sofort sind wir fast alleine, legen in Ruhe unsere Klettersteigausrüstung an und schauen auf die Menschenschlange hinab, die sich ein Stockwerk tiefer auf dem breiten Wanderweg tummeln.

Der Weg über den Passportensteig ist nicht schwer. In Klettersteigführern wird er mit der Schwierigkeit A/B angegeben. Meistens geht es entlang der natürlichen Dolomitschichten, durch ausgesprengte kleine Tunnel und Durchlässe im Fels und immer wieder hat man tolle Ausblicke hinüber zu den Drei Zinnen. Dann windet sich der Weg auf der Ostseite um den Berg bis man über einen recht steilen Aufstieg in einem Kar zur Gamsscharte gelangt. Hier treffen mehrere Klettersteige zusammen. Wir kommen von Süden den Passportensteig entlang, von Osten her über das Büllelejoch kommt der Schartensteig herauf und nach Norden, unsere Abstiegsroute, führt der Innerkofler-De-Luca-Steig zur Drei-Zinnen-Hütte hinab.

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Zum Gipfel des Paternkofel führt ab hier ein gemeinsamer Klettersteig, der etwas schwieriger ist und als B/C mit einer Stelle C angegeben ist. Aufgrund der beliebtheit des Steigs wurde im Bereich der Schlüsselstelle der Auf- und Abstieg getrennt. Wenn du dich für diese traumhafte Wanderung entscheiden solltest (was ich nur empfehlen kann), dann beachte die kleinen roten Pfeile für die richtige Richtung. Nach einem kleinen Spreizschritt über eine Spalte zieht der Weg in einer Rechtskurve dem Gipfel zu. Es sind genügend Tritte und Griffe im Fels vorhanden, sodass der Aufstieg gut zu meistern ist. Du solltest aber aufpassen: Die beliebtesten Tritte sind an den Kuppen schon recht glatt geschliffen von den vielen Klettersteiggehern. Gerade bei Nässe kann es da rutschig werden. Nach der “Schlüsselstelle” im Schwierigkeitsgrad B/C wird der Steig wieder zum Wanderpfad bevor etwas unterhalb vom Gipfel nochmals eine Steilstelle in ungesicherter Kletterei überwunden werden muss. Auch hier sind genügend Griffe und Tritte vorhanden, sodass die Stelle für trittsichere und bergerfahrene Wanderer keine wirkliche Schwierigkeit darstellt. Trotzdem weise ich darauf hin, dass es selbstverständlich sein sollte, solche Wege nur mit der richtigen Ausrüstung, also festen Bergschuhen, Klettersteigset, Gurt und Helm, begangen werden sollten.

Am Gipfel angekommen weiß ich dann vollends, warum ich im Urlaub so früh aufstehe: Der Ausblick ist einfach gigantisch! Vor uns liegen die Drei Zinnen, deren Schatten über die Lange Alm ziehen, kleine Bergseen glitzern in der Mittagssonne und Alpendohlen umkreisen den Gipfel. Schöner kann ein Moment nicht sein. Wenn ich auf einem Berggipfel stehe und ich in die Tiefe, in die Weite und auf die umliegenden Gipfel blicke, dann fühle ich mich ganz klein und ganz groß. Groß, weil ich im wahrsten Sinne des Wortes da oben über den Dingen stehe. Der Alltagsstress und was einen sonst so plagen könnte sind vergessen. Da bin ich einfach nur im hier und jetzt. Und klein, weil man aus dieser Perspektive sieht, wie klein und unbedeutend man eigentlich ist. Nicht mehr als ein farbiger Punkt auf einem großen Stein, der schon ewig hier steht und noch ewig hier stehen wird.

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Nach der Genießerpause am Gipfel geht es bis zur Gamsscharte den selben Weg zurück (der Abstieg im Klettersteig ausgenommen) bevor wir uns dann an den Abstieg über den Innerkofler-De-Luca-Steig machen. Es ist schon Nachmittag geworden, aber immer noch kommen uns Wanderer entgegen. Mit gegenseitiger Rücksichtnahme ist das aber kein Problem. Es gibt immer wieder gute Stellen für einen sicheren Stand, bei denen überholt oder aneinander vorbei gegangen werden kann. Zu Beginn zieht sich der Klettersteig luftig an einem Felsgrat hinab, bevor er weiter unten in die Stollen des Berges eintaucht. Hier ist eine Stirnlampe absolut erforderlich. Ohne ist es einfach zappenduster und man haut sich den Kopf an die Decke oder vertritt sich die Füße an Steinstufen. Vom Hauptstollen zweigen immer wieder Gänge ab, die zu Felsenfenstern mit toller Aussicht führen. Wenn du also nicht spät dran bist, dann nimm dir ruhig die Zeit, diese Ausblicke zu genießen.

Zum Schluss wird der Stollen nochmals richtig steil, unregelmäßige Treppenstufen und ein Seil als Geländer helfen beim Abstieg, bevor einen der Berg dann mit Blick auf die Drei-Zinnen-Hütte wieder ausspuckt.

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An der Hütte legen wir eine Rast ein, futtern Frankfurter Würstel mit Senf (eine Felsformation am Paternkofel in Sichtweite heißt ebenfalls “Frankfurter Würstel”), legen kurz unsere Beine hoch und sind wieder mitten drin im bunten Treiben der Turnschuhtouris.

Den Weg zurück zur Auronzohütte wählen wir westwärts, um die Drei Zinnen einmal vollständig zu umrunden. Bis wir zurück am Parkplatz sind, ist es schon recht spät geworden. Die Zeitangaben auf den Wegweisern und im Klettersteigführer sind mit Vorsicht zu genießen. Wir sind gewiss nicht langsam und unsportlich. Wenn man aber die Landschaft genießen und ein paar Fotos schießen möchte, dann kann man auf die angegebenen Zeiten locker 15-20% draufpacken. Das finde ich eigentlich nicht so gut, kommen doch unerfahrene recht schnell in Zeitnot, nehmen sich eventuell zu viel vor und verpassen eventuell sogar noch die letzte Gondel ins Tal.

Der Parkplatz ist jedenfalls schon recht leer, die Tagestouristen sind weitestgehend abgereist. Eine Klettertruppe sortiert ihre Seile im Schatten ihres mitgebrachten Pavillons und die Camper genießen die abendliche Ruhe bei einem Glas Wein bei bestem Bergpanorama. Wir packen dann, getrieben von aufkommendem Hunger, ebenfalls zusammen, saugen noch einmal das Panorama in uns auf und machen uns auf den Rückweg. Die Sonne steht schon tief und taucht die Bergflanken in warmes Licht. An einem Bergsee halte ich noch einmal an um die Szene auf meinen Fotochip zu bannen bevor wir den Abend bei wirklich leckerem Essen in einem Restaurant auf den Weg ausklingen lassen.

Ein perfekter Tag! – Go play outside!

 

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Zusammenfassung:

Strecke: 13,5 km

Zeit: 6:50 min (mit kleinen Pausen und Fotostops)

Höhenmeter: 743 hm

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