Landmannalaugar – die heißen Quellen der Landmänner, wie dieser Ort übersetzt heißt, ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde und Ausgangspunkt für unser Abenteuer Laugavegur
Schon die Fahrt mit dem Bus durch die wilden Landschaften, über ruckelige Sandpisten und teilweise tiefe Gletscherflüsse ist etwas ganz Besonderes. Island nimmt einen auf in sein wildes, buntes, dampfendes Inneres. Das Gebiet von Landmannalaugar ist geprägt von Vulkanismus. Das Lavafeld “Laugahraun” grenzt wie abgeschnitten bis an das Areal des Campingplatzes und der Hütte heran. Hier entspringen direkt am Fuße der großen Obsidianblöcke auch die heißen Quellen, die dem Ort seinen Namen gab.
Jetzt bin ich schon das zweite mal an diesem Ort, aber an Faszination hat er deshalb nicht verloren. Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber es fühlt sich vertraut an. Vertrauter, als es dieser eine Besuch vor 2 Jahren erklären könnte. Irgendwie bin ich hier zuhause. Zu dem vertrauten Gefühl und der Freude, endlich wieder hier zu sein gesellt sich auch Aufregung. Landmannalaugar ist der Start unseres Abenteuers Laugavegur. Morgen geht es endlich los. An akribischen Vorbereitungen hat es nicht gemangelt, wir sind gut ausgerüstet und haben vorgesorgt so gut es ging. Trotzdem war ich noch nie mit Zelt und Rucksack auf einem Fernwanderweg unterwegs. Wie wird es wohl werden? Haben wir an alles gedacht? Basti ist überraschend ruhig. Komisch, eigentlich bin ich als großer Bruder immer der Ruhepol, vielleicht fühle ich mich aber auch irgendwie in der Verantwortung. Egal, ich lasse mich anstecken von der Vorfreude und genieße den Ruhetag in Landmannalaugar. Island meint es verdammt gut mit uns. Gestern bei der Ankunft hatten wir strahlend blauen Himmel. Heute ist es zwar bewölkt aber trocken wir machen uns auf, die Gegen zu erkunden. Wir schnappen uns einen Packsack, den ich mit einer Schnur zum Tagesrucksack umfunktioniert habe, und stapfen die Nordwestliche Bergflanke hinauf.
Zu Beginn geht es steil bergan bevor wir auf dem Höhenrücken einigermaßen eben immer weiter nach Westen laufen. Wir haben von hier einen traumhaften Blick auf das ganze umliegende Gebiet. Unter uns der Campingplatz mit dem dampfenden Naturbecken, dahinter das Lavafeld das sich bis zur Brennisteinsalda zieht. Mäandrierende Flüsse suchen sich ihren Weg durch das breite Tal.
Außer uns ist kaum jemand unterwegs. Die Tagestouristen werden mit den Bussen angekarrt, vertreten sich kurz die Beine und düsen dann wieder davon. Bis hier hoch verirren sich nur Wenige. Und das ist auch gut so. Ich genieße die Ruhe und nutze die Zeit zum Fotografieren. Immer weiter nach Westen verläuft der Höhenrücken. Wir folgen ihm, immer wieder durch Steintürme auf Kurs gehalten. Dann folgt der Abstieg hinab in das Tal hinter dem Lavafeld. Ganz am Ende kommen wir raus und sehen nun die Landschaft von der anderen Seite. Auch hier dampft es und die Bäche schimmern in sonderbaren Farben, die wohl durch Ablagerungen und Bakterien hervorgerufen werden.
An einem kleinen Bergsee machen wir halt. Ich fotografiere, Basti setzt sich einfach nur hin und saugt die Landschaft und die Stimmung in sich auf. Ich bin ihm wohl zu laut, das Rascheln der Funktionskleidung und das Klicken des Fotos nerven ihn. Ich habe verstanden: Jetzt setze auch ich mich hin, lege den Foto aus der Hand und tue einfach nichts. Manchmal ist es ganz gut, daran erinnert zu werden, dass die besten Erlebnisse nicht im Album kleben, sondern in deinem Kopf.
So sitzen wir einfach nur da, im Hier und Jetzt und sich glücklich an diesem Ort zu sein. Es braucht eine Weile, bis wir uns aufraffen können, wieder den Rückweg anzutreten. Von dem See geht es wieder zurück in das Tal hinter dem Lavafeld. Immer wieder müssen wir kleine Nebenbäche überqueren, laufen ansonsten einfach mit Blick auf die großen Obsidianblöcke nach Osten bis wir an einem weiteren See mit Wollgras am Ufer auf den Wanderweg stoßen. Nach rechts geht es hoch zur Brennisteinsalda. Diesen Weg werden wir morgen nehmen, es ist die erste Etappe des Laugavegurs. Heute aber wenden wir uns nochmal nach links und durchqueren das Laugahraun auf dem Wanderweg zurück zur Hütte und zum Campingplatz.
Dort hat man sogar Handyempfang und ich schicke erste Berichte und Lebenszeichen in die Heimat. Doch die Infos, die ich von dort bekomme sind alles andere als gut. Ich arbeite für ein Cross-Country Mountainbike-Team, das international an allen großen Rennen teilnimmt und gerade ist Weltcup in Meribel. Martin, sehr guter Freund und Teamchef überbringt mir die traurige Nachricht. Annefleur, die so sympathische, freundliche, lächelnde und professionelle niederländische Mountainbikerin, die seit diesem Jahr für unser Team fährt, ist tot. Zack, einfach so. Sie ist in einem Vorrundenlauf des Weltcup-Sprints gestürzt und so unglücklich auf den Kopf gefallen, dass sie wenig später im Krankenhaus von Grenoble ihren Verletzungen erlag. Das ganze Team ist durch den Wind, Martin war die ganze Zeit über im Krankenhaus, hat die schwere Aufgabe, ihre Eltern in Empfang zu nehmen, die mit der nächsten Maschine eingeflogen kommen. Mich trifft diese Nachricht hart. Zweimal. Hier in Island kann ich das ganze noch garnicht richtig greifen. Ich bin zu weit weg. In einer anderen Welt. Hier trifft es mich insofern, dass ich nicht beim Team sein kann, nicht trösten und gemeinsam trauern kann. Ich fühle mich hilf- und machtlos. Und später, eigentlich Monate später, habe ich erst richtig Zeit alles zu verarbeiten. Dann trifft es mich nochmal. Mit voller Wucht. Bis Heute denke ich noch sehr oft an Annefleur. Wir alle vom Team tragen eine Blume auf dem Rad, als Erinnerung an unsere “Fleur” und immer wenn ich auf dem Rad sitze sehe ich sie.
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