Laugavegur – Von Emstrur nach Þórsmörk

In der Nacht fegte der Wind durchs Camp. Ich bin mittlerweile an das ständige Pfeifen und Wehen gewöhnt und schlafe wie ein Baby.

Laugavegur Emstrur Thorsmork

Streckenlänge: 16,4 km

Höhenmeter: 688 hm

GPX-Daten zum Download

 

Einigermaßen ausgeruht, eine Isomatte ist eben doch kein Bett, stehen wir auf und beginnen mit unserer Routine. Schlafsack auf und zum Lüften ausbreiten, Hose an und raus vors Zelt. Um uns herum ist wie immer schon Betrieb und überall wird gefegt. Gefegt? Naja, jeder versucht so gut es geht seine Klamotten, Schlafsäcke und sonstigen Habseligkeiten von Sand zu befreien. Der Zeltplatz liegt in einer engen Schneise und anscheinend hat der nächtliche Wind einiges an Material durchs Camp geweht. Der feine schwarze Lavasand kriecht durch jede Ritze, die meisten Innenzelte sind nur aus Netz und das Außenzelt schließt nicht mit dem Boden ab. Birgit knirscht der Sand sogar zwischen den Zähnen. Naja, vielleicht ist der Lavasand ja genauso gesund wie Kieselerde… Wir haben von Alledem nichts mitbekommen. Unser Zelt von Helsport ist ein 4-Jahreszeiten-Zelt mit Innenzelt aus dichtem Stoff und extra Schneelaschen (Snowflaps) am Außenzelt. Die haben wir wie jeden Abend mit Steinen beschwert und so blieb der Sand draussen. Von Außen ist es jedoch wie paniert. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit hat sich der Sand überall festgesetzt und unser schönes rotes Zelt ist erblasst. Umständlich verpacken wir das Ding im Packsack (auch hier lohnt es sich, dass wir für Innen- und Außenzelt eigene Packsäcke verwenden) und brechen nach dem Frühstück auf. Heute ist die (vor-)letzte Etappe unseres Abenteuers. Irgendwie ist die Zeit wie im Flug vergangen, andererseits sind wir beide auch froh, wenn wir einen Tag Ruhe bekommen würden.

Laugavegur Etappe von Emstrur nach Thorsmork

Der Weg zieht sich dahin. Ich bin bisher von Blasen Gott sei Dank verschont geblieben, aber trotzdem merke ich die vielen Kilometer der letzten Tage an den Sohlen. Der Rucksack sitzt von Tag zu Tag unbequemer. Trotzdem sind wir Glückspilze. Das Wetter spielt bisher verdammt gut mit, unsere Regenhosen haben wir umsonst mitgeschleppt. Langsam kommen wir unserem Ziel näher und die ersten Bäumchen tauchen auf. Das Gebiet um Thorsmork ist eines der wenigen Flecken auf Island, an dem es sowas wie einen Wald gibt. Wobei Wald im mitteleuropäischen Sinne etwas übertrieben ist. Die verschnörkelten Birken wachsen eher als Busch und werden nicht viel höher als 2-3 Meter. Trotzdem ist das für isländische Verhältnisse recht ordentlich. Die Landschaft ändert sich und auf die Weite der vergangenen Tage folgen verschlungene kleine Trampelpfade durch Birkenwäldchen und saftiges Gras. Die Wege sehen aus als hätte man hier einen Mordsspaß mit dem Mountainbike. Wie ich mir jetzt eines herbeisehne! Damit wären die letzten Kilometer ruckzuck erledigt und auf diesen Singletrails wäre es ein Hochgenuss.

Flussdurchquerung Island Trekking

Birkenwald Thorsmork Laugavegur Trekking

Aber auch ohne Räder kommen wir dann irgendwann abgekämpft an. Wir sind eine der Letzten. Birgit und Ulv sind schon da, Philipp und Laura, die wir heute Morgen beim Frühstück kennengelernt haben, ebenfalls. Wir stellen unser Zelt in der Nähe auf und erkunden die Umgebung. Die Volcano Huts in Thorsmork bieten einen gar phänomenalen Luxus nach den Strapazen der letzten Tage: Eine Dusche mit unbegrenzt heißem Wasser! Das nutze ich schamlos aus und stelle mich unter das heiße Wasser bis ich aufgeweicht bin! Auch der leicht schweflige Geruch des Wassers hält mich nicht davon ab. Irgendwann raffe ich mich dann doch auf und rubble mich trocken. Dann bekommt unser Zelt noch die nötige Pflege. Mit unserem Spülschwamm und dem Kochtopf voll Wasser schrubben wir das Gröbste vom Zeltstoff. Zum Schluss ist der Topfboden bedeckt mit Lavasand und es sieht aus wie mäandrierende Flussläufe über die Sanderflächen des Südens, nur im Miniaturformat.

Laugavegur Thorsmork Vulcano Huts Vulkansand

Abends sitzen wir im Speiseraum der Vulcano Huts und die Gruppe findet sich zusammen. Birgit und Ulv, Laura und Philipp und Basti und ich. Wir sitzen zusammen, quatschen und lachen als ob wir uns schon ewig kennen würden. An diesen Abend denke ich immer noch sehr gerne zurück. So eine Reise verbindet. Und der Mensch ist doch ein Rudeltier – irgendwie.

Am nächsten Tag heißt es dann Abschied nehmen. Die Wettervorhersage verspricht nichts Gutes. Ein Sturmtief zieht von Süden her direkt auf die Südküste Islands zu und wird genau dort an Land treffen, wo der Laugavegur endet. In Skogar. Windgeschwindigkeiten von über 100 km/h sind angesagt. Wohnmobile und andere Fahrzeuge mit großer Fläche sind angehalten, sich windgeschützt unterzustellen und nicht weiter zu fahren. Bei diesen Aussichten haben wir keine Lust die letzte Etappe von Thorsmork nach Skogar in Angriff zu nehmen. Entweder müssten wir die ca. 1000 hm bis zum Pass am Ejafjallajökull und wieder 1000 hm hinunter bis an die Küste bei Skogar an einem Tag bewältigen. Das hieße dann aber, dass wir genau dort Zelten müssten wo der Sturm an Land trifft. Die andere Möglichkeit wäre es, auf der Schutzhütte oben am Pass zu übernachten und am nächsten Tag weiter zu laufen, wenn das denn bei dem Sturm ginge. Auf einem Pass pfeift aber der Wind erst recht durch und so sind beide Möglichkeiten für uns keine wirkliche Option. Daher fahren wir mit dem Bus zurück nach Reykjavik und verbringen die Nacht auf dem Zeltplatz der Stadt. Dieser liegt auf der Wind abgewandten Seite und ist durch die umliegende Bebauung und Bäume zusätzlich geschützt.

Die Idee stellt sich als vernünftig raus. Wir schlafen die Nacht durch. Das Zelt wackelt zwar ordentlich und der Wind pfeift über uns hinweg, aber alles hält und die Nacht verläuft verhältnismäßig ruhig. Später erfahren wir dann, dass es den Anderen weniger gut ergangen ist. Das Zelt von Laura und Philipp hat es komplett zerlegt und Birgit und Ulv mussten einen Tag Zwangspause in der rüttelnden und wackelnden Hütte auf dem Pass verbringen, weil es unmöglich war, einen Schritt vor die Türe zu setzen.

So fehlt uns jetzt zwar noch ganz offiziell die letzte Etappe die wir uns vorgenommen hatten, aber wir kommen definitiv zurück nach Island. Und Ziele braucht man ja im Leben…

 

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